Sehr geehrte Redaktion! (Die Welt 1902)

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Sehr geehrte Redaktion!

In dem vom Brünner “Jüdischen Buch- und Kunstverlag” soeben herausgegebenen Kalender finde ich trotz meines vorher eingelegten Protestes meine Kongresskarte abgedruckt, und zwar in höchst unzulänglicher Ausführung und ohne den Namen des Autors. Ich protestiere hierdurch gegen diese Art, das geistige Eigentum eines Künstlers — (den Literaten gegenüber wird auch in dem
erwähnten Kalender die anstandsgemässe Rücksicht genommen) — als Cliché, als Ware, und vogelfrei zu behandeln.

Sie werden mich sehr verpflichten….

Hochachtungsvoll ergebenst

E. M. Lilien

Erklärung

In der Nr. 36 der “Israelitischen Rundschau” finde ich unter der Rubrik “Sprechsaal” einen Protest des Herrn E. M. Lilien, in welchem er die Aufnahme seiner Kongresskarte in dem “Jüdischen Volkskalender” in abfälliger Weise bespricht. Ich bitte höflichst um Aufnahme folgender Richtigstellung:

1. Es ist unwahr, dass Herr E. M. Lilien vorher gegen die Aufnahme der von ihm entworfenen Kongresskarte in den “Jüdischen Volkskalender” protestiert hat. Er hatte ja von der beabsichtigten Aufnahme keine Ahnung.

2. Ich habe vor längerer Zeit vom Sekretariate des Kongressbureaus das Cliché und das Recht der freien Verfügung erhalten.

3. Gerade in der Reproduktion der Kongresskarte ist der Name des Autors deutlich lesbar; die nochmalige Anführung des Namens Liliens erschien daher ganz überflüssig. Sein mehr oder minder berechtigter Künstlerstolz sollte damit nicht getroffen werden.

4. Auf die Ex offo-Verteidigung der “ersten Meister”, den Protest und die Motive, denen er entsprungen sein dürfte, gehe ich hier nicht ein. Eingeweihte werden sich ihr Urteil wohl bilden können.

Für die freundliche Veröffentlichung bestens dankend, zeichne

mit Zionsgruss

Brünn, 10. September 1901

Max Hickl

Die Welt (Wien), 6. Jahrg., 12. September 1902, Nr. 37, S. 9. Online